Todesstreifen im Feuchtgebiet

eichwe08.gif (41520 Byte)In dem Bereich, wo das Tegeler Fließ die Lübarser Wiesen verläßt und sich zugleich sein Ost-West-Verlauf in die Nordost-Südwest-Richtung ändert, schließt sich an seiner Nordseite das ca. 250 m breite Feuchtgebiet "Eichwerder" an. In der Karte ist es durch die gelbe Umrandung markiert. Die rote Linie zeigt die Landesgrenze zwischen Berlin und Brandenburg, in vergangenen Jahren also die Grenze zwischen Westberlin und der DDR. Demgegenüber stand die Mauer entlang der hellblau gezeichneten Linie, so dass ein teilweise bis über 250 m breiter Streifen geschaffen wurde, den keine Zivilpersonen betreten durften. Überwiegend handelt es sich bei diesem Gebiet um eine sumpfige Wiesenlandschaft, die durch von Jahr zu Jahr größer werdende Bäume (insbesondere Birken, Espen und Weiden) zunehmend waldartigen Charakter annimmt. Demgegenüber stellt der Streifen, in dem zuvor die Mauer stand, auch heute noch ein ausgesprochen trockenes Areal dar. Für die Pflanzenwelt hat dies zur Folge, dass an einigen Stellen z. B. Dianthus deltoides L., die Heide-Nelke, nur 2 Meter entfernt von verschiedenen Cyperaceen gedeiht.
Aus dieser Unterschiedlichkeit der natürlichen Gegebenheiten hat sich auf relativ engem Grund eine außergewöhnliche Artendichte herausgebildet. Ausgesprochene "Raritäten" fallen nicht auf, dafür fehlen aber auch kaum Arten, die für derartige Standorte typisch sind. Im Eingangsbereich in das Gebiet, dort wo Mauer und Grenzverlauf nahezu identisch waren und die in Berlin und Brandenburg stehenden Häuser nur durch einen ca. 30 m breiten Streifen getrennt waren, dominiert simpler sandiger Boden. Auffallendste Arten sind hier Oenothera biennis L. (Gemeine Nachtkerze) und Solidago canadensis L. (Kanadische Goldrute).
eichwe09.jpg (64877 Byte)Kurz dahinter wird der Weg zunehmend enger und schlängelt sich durch das hier sehr dichte Wäldchen, welches von den oben genannten Baumarten gebildet wird. Um- und überrankt werden die Bäume immer wieder vom Hopfen, wogegen das häufig dazwischen stehende, bis 2 m hoch werdende Heracleum spondylium L. (Gemeine/Wiesen-Bärenklau) das Dickicht endgültig undurchdringlich werden läßt. Gelegentlich öffnet es sich aber, um kleine Wiesen freizugeben. Auf diesen finden sich insbesondere Valeriana officinalis, Filipendula ulmaria (L.) MAXIM. (Echtes Mädesüß, Große Spierstaude), Lythrum salicaria L. (Gemeiner Blutweiderich) und Epilobium hirsutum L. (Rauhaariges Weidenröschen, wodurch diese Lichtungen in unterschiedlichen Farben leuchten.
Etwa in der Mitte des "Eichwerder" lichtet sich das Dickicht und man gelangt auf eine relativ große Freifläche, in deren Zentrum einst die Mauer stand. In diesem Bereich findet sich nach wie eichwe10.jpg (37721 Byte)vor eine wüste, nahezu vegetationslose Fläche. Diese ist weniger der Mauer als vielmehr verantwortungslosen Reitern zuzuschreiben, die sich inmitten der Natur scheinbar wohler als auf den als solche freigegebenen Reitwegen fühlen und eine Wiederbesiedlung des Streifens hartnäckig verhindern. Um diesen wüsten Streifen herum hat jedoch die Natur die Landschaft zurückerobert und einen fast beispielhaften Trockenrasen geschaffen. Neben den Gräsern auffallendste Arten sind Helichrysum arenarium (L.) MOENCH, Trifolium arvense L. (Hasen-Klee), Chondrilla juncea L. (Großer Knorpellattich) und Jasione montana L. (Berg-Jasione/Sandknöfpchen, Schafrapunzel). Ebenfalls nicht zu übersehen ist eine aus Nordamerika eingeschleppte Art, die zugleich eines der hartnäckigsten Unkräuter darstellt, welches bereits in Fugen zwischen Gehwegplatten ausreichend Platz zum Gedeihen findet: Conyza canadensis (L.) CRONQUIST (Kanadisches Berufkraut, Flohverderb). Eine kleine, trotz ihrer geringen Größe unübersehbare Pflanze ist Sedum acre L. Der deutsche Name eichwe12.jpg (56022 Byte)der Art (Scharfer Mauerpfeffer) ist allerdings vom scharfen Geschmack abgeleitet und nicht von seinem Standort hier an der Berliner Mauer, an der bekanntlich in regelmäßigen Abständen scharf geschossen wurde. Weniger auffallende Arten in dieser Trockenrasenzone sind demgegenüber Dianthus deltoides L., die Heide-Nelke, und Potentilla argentea L., das Silber-Fingerkraut. Bemerkenswert ist, dass wie oben bereits dargestellt der dichteste Bestand der Heide-Nelke sich ca. 2 m entfernt vom Beginn einer sumpfigen Wiese befindet, auf der neben verschiedenen Cyperaceen wiederum der Blutweiderich und das Mädesüß hervorstechen.
Am Ende dieser Lichtung biegt der Hauptweg dem früheren Verlauf der Mauer folgend nach Norden ab, wobei er sich wiederum im Dickicht des Weiden-Birken-Espen-Waldes verliert. Dieser gedeiht auf extrem sumpfigen Untergrund, auf dem sich entlang des Weges ein stattlicher Bestand an Equisetum palustre L., dem Sumpfschachtelhalm, entwickelt hat. Kurz darauf erreicht der Weg die Schildower Landstraße, wo gleichzeitig das "Eichwerder" endet.

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Nutzt man am Ende der Trockenrasenlichtung nicht den Hauptweg sondern begeht die Lichtung weiter in Richtung Osten, so kann man beobachten, dass der Trockenrasen stufenweise feuchter wird, was mit einem entsprechenden Wandel im Pflanzenbewuchs verbunden ist. An den noch relativ trockenen Stellen trifft man auf Trifolium campestre SCHREBER (Feld-Klee) sowie auf das pharmazeutisch bedeutungsvolle Hypericum perforatum L. (Johanniskraut, Tüpfel-Hartheu), wogegen der bereits feuchtere Bereich durch das Vorkommen von Verbascum nigrum L. (Schwarze Königskerze), Rhinanthus serotinus (SCHÖNHEIT) OBORNY (Großer Klappertopf), Veronica chamaedrys L. (Gamander-Ehrenpreis) oder Campanula patula L. (Wiesen-Glockenblume) charakterisiert ist.


© Thomas Schöpke