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Kanadische Gelbwurzel - Hydrastis rhizoma
[Ph. Eur. 7.0 (01/2011:1831)]

Stammpflanze: Hydrastis canadensis L. / Kanadische Gelbwurzel [Fam. Ranunculaceae / Hahnenfußgewächse]. Synonyme: Warneria canadensis LILL., Warneria diphylla RAF., Warneria tinctoria RAF. Dt. Synonyme: Blutkrautwurzel, Blutwurz, Gelbes Blutkraut, Gelbsuchtwurzel, Goldsiegel, Kanadische Orangewurz, Wasserblatt, Wasserkraut. Englisch: goldenseal. Weitere, weniger gebräuchliche Bezeichnungen sind Eye balm, Ground rasberry, Indian dey, Indian paint, Indian turmeric, Ohio curcuma, orangeroot, Turmeris root, Yellow eye root, Yellow paint, yellow-puccoon, Yellow root und Yellow seal.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Mehrjährige, etwa 30 cm hohe Pflanze mit kriechendem, unterirdischem Rhizom und wenigen oberirdischen Trieben. Das Rhizom ist unregelmäßig geformt, knotig, hellgelb, etwa 5 cm lang und 1 cm dick und mit deutlichen Stengelnarben versehen. In frischem Zustand enthält es einen gelben Saft. Die dem Rhizom entspringenden, leicht abbrechenden Wurzeln sind bis zu 30 cm lang. Der aufrechte, zylindrische, behaarte, nur zwei Blätter tragende Stengel wird am Grunde von kleinen, braunen Schuppen umschlossen. Die dunkelgrünen, behaarten, im Umriss runden, 5- bis 7fach fingerförmig gelappten Blätter besitzen einen doppelt gezähnten Rand. Das lang gestielte Grundblatt besitzt einen Durchmesser von 10 bis 20 cm, die Stengelblätter sind kleiner. Das obere Stengelblatt ist nur noch sehr kurz gestielt. In seiner Achsel entspringt der ca. 2 cm lange Blütenschaft, der eine einzelne Blüte trägt. Die Blütenhülle besteht lediglich aus drei grünlichweißen Kelchblättern, die kurz nach dem Aufblühen abfallen. Staubblätter und freie Fruchtknoten sind in großer Zahl vorhanden. Aus den Fruchtknoten entwickelt sich eine Sammelfrucht. Diese besteht aus etwa 12 kleinen, zur Reife hochroten Teilfrüchten, die breit-eiförmige, mit einem linealischen Nabel versehene, harte, schwarze, glänzende Samen enthalten.

Verbreitung: Heimisch in Nordamerika von Ontario bis Georgia. Besiedelt die feuchten Laubwälder der Region, wo sie an mäßig schattigen, windgeschützten Standorten anzutreffen ist. In Nordamerika zum Zwecke der Drogengewinnung und als Zierpflanze kultiviert.

Droge: Die getrockneten ganzen oder geschnittenen Rhizome und Wurzeln von Hydrastis canadensis L., die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an Hydrastin von 2,5 Prozent und an Berberin von 3,0 Prozent aufweisen (bestimmt mittels HPLC).

Beschreibung der Droge: Der harte, verschieden stark verzweigte bis einfache, zum Teil knollig verdickte Wurzelstock ist hin- und hergebogen, 3 bis 5 cm lang und 4 bis 8 mm dick. Am oberen Ende trägt er mehr oder weniger lange Stengelreste und eingesunkene, glatte oder auch mit ringförmig angeordneten Leitbündelelementen versehene Narben der Stengel. Die Oberfläche ist schmutzig-graubraun gefärbt, stark höckerig oder bei einfacheren Teilen fein längsfaltig, deutlich eng quergeringelt und ringsum mit zahlreichen, schmutzighellbraunen, verschieden langen, aber kaum 1 mm dicken, längsfaltigen Wurzeln besetzt. Am glatten Bruch ist außen die dunkelbraune Rinde, darunter der sattgelbe Holzkörper und innen das etwas dunklere, gelegentlich fein rot punktierte Mark zu erkennen. Der Bruch der Wurzel ist glatt, dunkelgelb mit in der Regel vierstrahlig erscheinendem, dunkleren Zentralzylinder. Die Schnittdroge ist gekennzeichnet durch die kaum 1 mm dicken, fein längs gestreiften oder faltigen, außen graubraunen, im Bruch gelblichbraunen, gebogenen oder geschlängelten, brüchigen Wurzelstückchen. Weiterhin finden sich Bruchstücke der Wurzelstöcke.

Geruch und Geschmack: Geruchlos, Geschmack bitter. Beim Kauen kommt es zur Gelbfärbung des Speichels.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Blutkrautwurzel, Goldsiegelwurzel, Hydrastisrhizom. Englisch: Goldenseal root, Turmeric root, Yellow root, Yellow eye root. Lateinisch: Radix Hydrastis, Rhizoma Hydrastis.

Herkunft: Nordamerika. Angaben zum Verhältnis von angebauter und gesammelter Droge sind nicht verfügbar.

Gewinnung der Droge: In den Kulturen erfolgt die Ernte bei generativer Vermehrung nach 5 bis 6 Kulturjahren und bei vegetativer Vermehrung bereits nach drei Jahren. Das im Herbst nach der Samenreife gesammelte Material wird von anhängendem Erdreich und anderen fremden Bestandteilen befreit und  an der Luft bei maximal 35 °C getrocknet. Höhere Temperaturen müssen vermieden werden, da sich ansonsten  ein beträchtlicher Teil des Wirkstoffes Hydrastin zu Hydrastinin zersetzt.

Inhaltsstoffe: Alkaloide: Isochinolinalkaloide. Gehalt im Rhizom 2,4 bis 7,0 %, in den Wurzeln weniger. Allgemein Untergliederung in Protoberberine, Phthalidisochinoline und Benzylisochinoline. Hauptkomponenten sind Berberin (2,45 bis 4,53 % im Rhizom, bis zu 2,66 % in der Wurzel), (–)-Hydrastin (2,0 bis 4,34 % im Rhizom), weitere Komponenten die Protoberberine (–)-Canadin (= Tetrahydroberberin; Gehalt ca. 0,5 %), (+)-Berberastin (2,0 bis 3,0 % ), (–)-Corypalmin und (–)-Isocorypalmin, die Phthalidisochinoline Hydrastidin und Isohydrastidin, das Benzylisochinolin (+)-Canadalin und die durch oxidativen Abbau von Hydrastin entstehenden Hydrastinin und Meconin. Weitere Bestandteile: Hycandinsäureester-1 (= 5-O-Feruloyl-chinasäure-butylester) und Hycandinsäureester-2 (= 4-O-Feruloyl-chinasäure-butylester), ß-Sitosterol-3-O-ß-D-glucosid sowie die bislang ausschließlich aus H. canadensis isolierten Flavone 6,8-Di-C-methylluteolin-7-methylether und 6-C-Methylluteolin-7-methylether.

Wirkungen: Der Droge und dem Hauptalkaloid Hydrastin wird eine am Uterus gefäßverengende und dadurch Blutungen stillende Wirkung zugesprochen. Für Berberin wurden negativ chronotrope, antiarrhythmische und gefäßerweiternde Wirkungen nachgewiesen. Antiarrhythmische Effekte zeigten auch die Berberinderivate Tetrahydroberberin und 8-Oxoberberin. An der isolierten Luftröhre des Meerschweinchens bewirkten ethanolischer Extrakt und verschiedene Alkaloide eine Muskelerschlaffung. In diesen Untersuchungen zeigte sich ferner, dass die Wirkung der einzelnen Alkaloide auf unterschiedlichen Wirkmechanismen beruht. Diskutiert wird ein Angriff an adrenergen und Adenosinrezeptoren. In mehreren neueren Arbeiten wurde die antibakterielle Aktivität von Hydrastis-Extrakt und einzelnen Alkaloiden untersucht. Getestet wurde ein 70prozentiger ethanolischer Extrakt und die Alkaloide Berberin, (-)-Hydrastin, Canadin und Canadalin auf Wirksamkeit gegen Staphylococcus aureus, Streptococcus sanguis, Escherichia coli und Pseudomonas aeruginosa. In Vorversuchen wurde die Abtötungszeit durch hoch konzentrierte Testlösungen ermittelt und in weiterführenden Tests die minimale Hemmkonnzentrationen (MHK) der in den Vorversuchen aktiven Testlösungen. Die MHK betrugen: Staphylococcus aureus (zwei Stämme) - Extrakt 0,12 bzw. 0,031 mg/ml, Berberin 0,25/0.031 mg/ml, Canadalin jeweils 0,25 mg/ml; Streptococcus sanguis - Extrakt 0,5 mg/ml, Berberin 0,5 mg/ml, Canadalin 90,25 mg/ml. Canadin erwies sich als nahezu wirkungslos, Hydrastin war schon in den Vorversuchen ohne Wirkung. Escherichia coli und Pseudomonas aeruginosa konnten durch keine Substanz gehemmt werden. In einer anderen Versuchsreihe wurden die zuvor genannten Substanzen sowie die Flavone (s. oben) und Sitosterolglucosid gegen die pathogenen Mundbesiedler Streptococcus mutans und Fusobacterium nucleatum mit folgenden Ergebnissen (MHK) getestet: S. mutans: 6-C-Methylluteolin-7-methylether 0,25 mg/ml, Berberin 0,125 mg/ml, Methanolextrakt 0,25 mg/ml; F. nucleatum: 6,8-Di-C-methylluteolin-7-methylether 0,25 mg/ml, 6-C-Methylluteolin-7-methylether 0,375 mg/ml, Berberin 0,0156 mg/ml, Methanolextrakt 0,0625 mg/ml. In weiteren Tests wurde die Wirksamkeit verschiedener Extrakte und einzelner Komponenten gegen Staphylococcus aureus (1), Escherichia coli (2), Salmonella gallinarium (3), Klebsiella pneumoniae (4), Mycobacterium smegmatis (5), Candida albicans (6), Pseudomonas aeruginosa (7) und die rekombinanten Tuberkelbakterienstämme rBCG pMV361 lux (8) und rMycobacterium intracellularae (9). Die MHK des ethanolischen Extrakts betrug für 8 und 9 jeweils 0,3 mg/ml, für 1, 4, 5 und 6 1,0 mg. Gegen 2, 3 und 7 war der Extrakt wirkungslos. Von den getesteten Einzelkomponenten erwies sich wiederum Berberin als am wirkungsvollsten mit MHK von 0,025 mg/ml gegen 5, 0,05 mg/ml gegen 1, 0,1 mg/ml gegen 4 und 6 sowie jeweils 0,2 mg/ml gegen 8 und 9. Die MHK eines methanolischen Extrakt gegen Helicobacter pylori betrug 0,0125 mg/ml. Die Aktivität wird ebenfalls dem Berberin (MHK 0,0125 mg/ml) sowie ferner dem (-)-Hydrastin (MHK 0,1 mg/ml) zugeschrieben.

Anwendungsgebiete: Die Anwendung der Droge erfolgt infolge fehlender gesicherter Wirksamkeitsnachweise ausschließlich in der Volksheilkunde. Traditionelles innerliches Hauptanwendungsgebiet sind starke menstruelle Blutungen sowie andere innere Blutungen. Weiterhin erfolgt die Anwendung bei Gastritis, Colitis ulcerosa, Reizdarm und Durchfall sowie als Tonikum bei zahlreichen Beschwerden. Äußerlich verwendet man die Droge zur Behandlung von Ekzemen und Akne, bei Aphthen der Mundhöhle und Geschwüren, bei starken Regelblutungen und Hämorrhoiden. Aus der Hemmung von Helicobacter pylori wird auf mögliche positive Effekte bei gastrointestinellen Beschwerden geschlussfolgert. Ansonsten ist die Wirksamkeit für keines der genannten Indikationsgebiete nachgewiesen. In den USA zählt Hydrastis gegenwärtig zu den populärsten Mitteln gegen Erkältungskrankheiten. Häufig erfolgt zu diesem Zweck eine Kombination mit Echinacea und Zinkchlorid. Die Wirksamkeit erscheint infolge der antimikrobiellen Aktivität plausibel.

Gegenanzeigen: Bluthochdruck. Hydrastin besitzt eine erregende Wirkung auf den Eierstock. Daher sollte die Droge nicht während der Schwangerschaft verwendet werden. Infolge möglicher phototoxischer Reaktionen (s. unten) sollte auf intensive Einwirkung von Sonnenlicht oder sonstiger UV-Strahlung während der Anwendung von Hydrastis verzichtet werden.

Unerwünschte Wirkungen: Bei äußerlicher Anwendung bei zu hoher Dosierung Gefahr der Geschwürbildung. Bei Einnahme über einen längeren Zeitraum leichte Verdauungsbeschwerden mit Verstopfung. In Blut und Milz Hemmung der Bewegung der Leukozyten. Nach Einnahme eines Nahrungsergänzungsmittels, welches u. a. Hydrastis enthielt, traten phototoxische Hautreaktionen auf. Ein Zusammenhang mit Hydrastis ist zwar nicht bewiesen, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Für Berberin wurden in pharmakologischer Untersuchungen phototoxische Effekte bestätigt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Berberin und Hydrastin beeinflussen verschiedene Isoenzyme des Cytochroms P-450. Infolge dessen wurde eine Hemmung der Hydroxylierung von Diclofenac, Bufuralol, Testosteron nachgewiesen.

Dosierung und Art der Anwendung: Die Anwendung der Droge erfolgt insbesondere in Form von Fertigarzneimitteln oder mittels Flüssigextrakten und Tinkturen. Ein Aufguss wird aus 0,5 bis 1 g Droge hergestellt und dreimal täglich angewendet.

Sonstige Verwendung: Infolge der durch das Berberin hervorgerufenen intensiven gelben Farbe zum Färben von Stoffen verwendet. Durch Kombination mit Indigo resultiert eine für Wolle, Baumwolle und Seide geeignete grüne Farbe. In der Vergangenheit war Hydrastis in der Drogenszene dafür bekannt, dass es angeblich den Nachweis von Heroin, Cocain, Haschisch und anderen Suchtmitteln im Harn unterdrücken und so den polizeilichen Nachweis verhindern kann. Durch Einführung moderner analytischer Verfahren zum Nachweis sämtlicher Suchtmittel ist dieser mögliche Missbrauch heute als bedeutungslos einzuschätzen.


Bilder:

Die Kanadische Gelbwurzel ist eine kleine, bis 30 cm hohe Staude, die ein weit kriechendes Rhizom besitzt, dem zahlreiche feine Wurzeln entspringen. Der Stengel trägt lediglich zwei tief fingerförmig gelappte Blätter und eine einzelne Blüte mit einfacher Blütenhülle. Die im reifen Zustand hochrot gefärbten Früchte ähneln Himbeeren, sind jedoch nicht essbar.

 


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© Thomas Schöpke