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Getrocknete Heidelbeeren - Myrtilli fructus siccus
[Ph. Eur. 7.0 (01/2008:1588) letzte Änderung 6.0]

Stammpflanze: Vaccinium myrtillus L. / Heidelbeere [Fam. Ericaceae / Heidekrautgewächse]. Synonyme: Myrtillus niger GILIB., M. sylvatica BUBANI, Vaccinium angulosum DULAC., V. montanum SALISB. Dt. Synonyme: Bickbeere, Blaubeere, Krackbeere, Mostbeere, Schwarzbeere, Taubeere. Englisch: bilberry, blueberry.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Sommergrüner, stark verzweigter, buschiger, bis 50 cm hoher Strauch. Grundachse unterirdisch (weit) kriechend. Von ihr aufsteigend grüne, scharf dreikantige Zweige. Blätter wechselständig angeordnet, recht derb, an älteren Zweigen dunkelgrün, an jüngeren hellgrün. Blattspreite rundlich-eiförmig, Spreitenrand fein gesägt, Blattstiel kurz. Blüten einzeln in den Achseln der Blätter, kurz gestielt, 4 bis 7 mm lang. Kelch klein, undeutlich 5-lappig, mit dem Fruchtknoten verwachsen und daher bleibend. Kronblätter verwachsen, einen 5zipfeligen, kugelig-krugförmigen Becher bildend. Staubblätter 8 oder 10, im Kronbecher verbleibend, kürzer als der Griffel. Die Frucht ist blauschwarz gefärbt, häufig jedoch bereift, wodurch sie heller erscheint (leuchtend blau --> "Blaubeere"), kugelförmig, mit Diskus, in dessen Zentrum sich häufig noch der hinfällige Griffel befindet. Sie enthält zahlreiche Samen.

Verbreitung: Die Art findet sich nahezu in der gesamten kalten und kalt-gemäßigten nördlichen Hemisphäre. In Europa beginnt das Verbreitungsgebiet im Westen in den Pyrenäen und im Süden in den Alpen und umfasst sämtliche nördlich davon gelegenen Regionen. Im Osten reicht das Verbreitungsgebiet bis Ost-Sibirien und dringt dort im Süden bis in den Kaukasus und die zentralasiatischen Gebirge ein. In Amerika von Kanada (Alberta, British Columbia) bis in die südlichen Rocky Mountains (Arizona, New Mexico). Bevorzugt als Unterwuchs in nicht allzu schattigen Wäldern und auf Hochmooren. Im Süden bis in die alpine Stufe aufsteigend.

Droge: Die reifen, getrockneten Früchte von Vaccinium myrtillus L., die einen Gehalt an Gerbstoffen von mindestens 1,0 Prozent aufweisen, bezogen auf die getrocknete Droge und berechnet als Pyrogallol. Hinweis: Neben der Monographie "Myrtilli fructus siccus" gibt es im Europäischen Arzneibuch eine Monographie für die frischen Früchte (Frische Heidelbeeren - Myrtilli fructus).

Beschreibung der Droge: Die zum Teil kurz gestielten Beeren sind blauschwarz gefärbt, etwa 3 bis 6 mm groß, weich und stark geschrumpft. Ihre Oberfläche ist grob runzelig, ihre Form unregelmäßig kugelig. Am Scheitel tragen sie einen wulstartigen Kelchrest, an dem häufig noch 4 bis 5 kurze, stumpfe Kelchzipfel zu erkennen sind. Vorne im Zentrum befindet sich etwas eingesunken der Griffelrest, der von einem auffälligen, flachen, ringförmigen Diskus umgeben wird. Im blauschwarzen, fleischigen Mesokarp befinden sich 4 bis 5 Fruchtfächer, die jeweils zahlreiche, etwa 1 mm große, zweiseitig abgeplattete, schiefeiförmige Samen mit glänzend rotbrauner, netzgrubiger Oberfläche enthalten.

Geruch, Geschmack und sonstige Eigenschaften: Nahezu geruchlos, Geschmack angenehm süßsauer, leicht zusammenziehend. Beim Kauen wird der Speichel rotviolett gefärbt. Die Droge darf nicht hart sein und soll sich leicht zerquetschen lassen.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Bickbeeren, Blaubeeren, Schwarzbeeren. Lateinisch: Baccae Myrtilli, Baccae Myrtillorum, Fructus Myrtilli, Fructus Myrtillorum

Herkunft: Überwiegend aus Wildbeständen südost- und osteuropäischer Länder, besonders GUS, Polen, Rumänien, Bulgarien und Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens.

Inhaltsstoffe: Ca. 0,5 % Anthocyane, bei denen es sich überwiegend um Delphinidinglykoside (3-O-Arabin-, -Galact- und -Glucosid) handelt. Daneben auch Cyanidin-, Malvidin-, Paeonidin- und Petunidinglykoside. Proanthocyanidine mit dem Epicatechin-Dimeren-B2 und B-3 sowie den Catechin-Epicatechin-Dimeren B-1 und B-4 als Hauptkomponenten. Nach älteren Literaturangaben 5 bis 12 % Gerbstoffe. Ferner die Gerbstoffvorstufen Catechin und Epicatechin, deren Konzentration während der Reife abnimmt. Geringe Mengen an Flavonoiden (14 mg / 100 g), Iridoide nur in den unreifen Früchten. Ferner verschiedene organische Säuren (insbesondere Chlorogen-, Ferula-, und Syringasäure) sowie Triterpene (ca. 0,25 % Ursolsäure).

Wirkungen: Obwohl (oder gerade weil?) es sich bei den Heidelbeeren um eine Droge handelt, die als Nahrungsmittel in den Sommermonaten zuweilen in großen Mengen konsumiert wird, ohne dass dabei eine sichtliche Beeinflussung physiologischer Parameter erfolgt, wurden in zahlreichen pharmakologischen Untersuchungen insbesondere für die Heidelbeeranthocyanid-(VMA)-Zubereitung zahlreiche Wirkungen nachgewiesen. Zu diesen Wirkungen zählen unter anderem: gefäßschützende Wirkung, Hemmung der Blutplättchenaggregation (Humanblut), antiulcerative Wirkung und wundheilende Wirkung. Nach Monografie der Kommission E adstringierend.

Anwendungsgebiete: Unspezifische, akute Durchfallerkrankungen. Lokale Therapie leichter Entzündungen der Mund- und Rachenschleimhaut. Darüber hinaus werden noch weitere Indikationen für die VMA-Zubereitung genannt. Diese Angaben entstammen jedoch einem einzelnen Arbeitskreis, von dem auch die oben genannten pharmakologischen Wirkungen beschrieben wurden, so dass bei Interesse auf die Originalliteratur bzw. "Hagers Handbuch" verwiesen sei.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Innerlich bei Erbrechen, Blutungen und zur Hämorrhoidenbehandlung mit kurmäßiger Anwendung. Die Wirksamkeit bei diesen Anwendungsgebieten ist nicht ausreichend belegt. Äußerlich für Umschläge bei Hautkrankheiten und schlecht heilenden Geschwüren. Auch hier ist die Wirksamkeit unzureichend dokumentiert, infolge der adstringierenden Eigenschaften jedoch erklärbar.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.
Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt.
Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Soweit nicht anders verordnet einer Tagesdosis von 20 bis 60 g Droge entsprechend (mittlere Tagesdosis 30 g). Die lokale Anwendung erfolgt unter Verwendung einer 10prozentigen Abkochung. Die Teebereitung kann heiß oder kalt erfolgen. Zur heißen Teebereitung werden 1 bis 2 Esslöffel Heidelbeeren in ca. 150 ml Wasser etwa 10 Minuten gekocht und noch heiß durch ein Teesieb gegeben. Zur kalten Teebereitung wird die selbe Menge mit kaltem Wasser angesetzt. Anschließend lässt man 2 Stunden quellen. Soweit nicht anders verordnet, wird mehrmals eine Tasse frisch bereiteter Aufguss bis zum Abklingen der Durchfälle kalt getrunken. Alternativ zur Teebereitung können auch 1 bis 2 Teelöffel Heidelbeeren mit etwas Flüssigkeit eingenommen werden.

Dauer der Anwendung: Die Anwendungsdauer sollte 3 bis 4 Tage nicht überschreiten. Sollten nach diesem Zeitraum die Durchfälle noch anhalten, ist unbedingt ein Arzt aufzusuchen.


Bilder:
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Vaccinium myrtillus L.: Im Gegensatz zu der ebenfalls in Mitteleuropa heimischen immergrünen Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea L.) und Bärentraube (Arctostaphylos uva-ursi (L.) SPRENG.) ist die Heidelbeere eine sommergrüne, im Herbst das Laub abwerfende Pflanze. Man findet sie sowohl in lichten Wäldern als auch in offenen Heidegebieten insbesondere der Mittelgebirge. Die im zeitigen Frühjahr erscheinen Blüten sind relativ klein unscheinbar. Umso mehr fallen die unter günstigen Umständen einen Durchmesser von 1 cm erreichenden Früchte auf, die infolge eines dünnen Reifbelags gelegentlich leuchtend blau erscheinen.


Literatur: Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 sowie 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Band 6, Drogen P-Z, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1994; M. Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1997; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 76 vom 23.04.1987 und Nr. 50 vom 13.03.1990; Deutscher Arzneimittel-Codex (DAC) 1998; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN). [Online Database] National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Available: www.ars-grin.gov/cgi-bin/npgs/html/taxon.pl?41040 (16 March 2000)


© Thomas Schöpke