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Quendelkraut - Serpylli herba [Ph. Eur. 5. Ausgabe, Grundwerk 2005]

Stammpflanze: Thymus serpyllum L. s. l.* / Quendel / Sand-Thymian [Fam. Lamiaceae / Lippenblütengewächse]. Synonyme: T. angustifolius PERS., T. serpyllum subsp. serpyllum et subsp. ridigus LYKA. Dt. Synonyme: Bei den zahlreichen deutsprachigen Bezeichnungen handelt es sich oft um Abwandlungen von Quendel wie z. B. Karwendel, Krawendel, Kundel, Kuttelkraut, Quengelchen und Wendelkraut. Andere deutsche Namen beziehen sich auf Standort (z. B. Ameisenkraut, Hübelchenkraut, Rainkümmel) und Verwendung (z. B. Hünerkraut, Hühnersalbe, Immenkraut, Käsekräutchen, Wurstkraut) oder sind völlig anderen Ursprungs (z. B. Feldpoley, Frauenkraut, Haidhopfen, Jungfernzucht, Liebfrauenbettstroh, Poley, Riechgras, Wilder Poley, Wilder Thymian, Wilder Zimmet, Wildes Pfefferkraut). Englisch: Breckland thyme, creeping thyme, mother-of-thyme , Serpolet, wild thyme.
* Die zuvor gemachten Angaben beziehen sich auf T. serpyllum L. s. str. (= sensu stricto / im engen Sinn). Bei dem vom Europäischen Arzneipflanze als Stammpflanze genannten T. serpyllum L. s. l. (= sensu lato / im weiten Sinn) handelt es sich um eine so genannte Sammelart, zu der eine Reihe weiterer Arten gezählt wird. Zu diesen zählen u. a. die in Deutschland relativ weit verbreiteten T. praecox OPIZ / Frühblühender Thymian und T. pulegioides L. / Arznei-Thymian. Die Verwendung der Sammelart ist insofern sinnvoll, da eine Unterscheidung der Kleinarten derart anspruchsvoll ist, so dass bei einer Beschränkung auf T. serpyllum s. str. mit einem hohen Anteil von Verfälschungen zu rechnen wäre.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze (T. serpyllum s. str.): Von Juli bis September blühender, 2 bis 10 cm hoher, schwach verholzter, aromatisch duftender Halbstrauch. Stengel lang kriechend, meist mit liegendem, vegetativen Trieb abschließend. Blütentriebe stumpf vierkantig bis scheinbar rundlich, ringsum mehr oder weniger gleichmäßig behaart oder an 2 Seitenflächen schwächer behaart bis kahl. Laubblätter 5 bis 15 mm lang und 1 bis 3 mm breit, linealisch, länglich bis elliptisch oder schmal verkehrt eiförmig, kurz gestielt bis sitzend. Seitennerven auf der Unterseite nicht oder stumpf hervortretend, oberstes Seitennervenpaar zur Spitze verlaufend und sich meist verlierend. Größe der Laubblätter an den Blütentrieben von oben nach unten nahezu identisch. Blüten in meist kopfigen Blütenständen. Kelch röhrig-glockig, 3,5 bis 5 mm lang, obere Kelchzähne breit dreieckig, etwa so lang wie am Grund breit. Krone 3 bis 10 mm lang, mit kurzer Röhre, hell- bis tiefpurpurn, selten weiß.

Verbreitung (T. serpyllum s. str.): Heimisch von Ost-Sibirien bis nach Europa. In Europa südlich bis zum Nordrand der Alpen und westlich bis Nordost-Frankreich. In Deutschland auf kalkarmen Böden in Silikatfelsfluren, auf Sandtrockenrasen und trockenen Kiefernwäldern.

Droge: Die ganzen oder geschnittenen, getrockneten, blühenden oberirdischen Teile von Thymus serpyllum L. s. l., die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an Ätherischem Öl von 3,0 ml / kg (entspricht 0,3 %) aufweisen.

Beschreibung der Droge: Spross reichlich verzweigt, Durchmesser bis 1,5 mm, im Querschnitt zylindrisch oder undeutlich viereckig, grün, rötlich oder purpurrot, ältere Sprossteile braun und holzig, jüngere behaart. Blätter gegenständig angeordnet, kurz gestielt, 3 bis 12 mm lang und bis 4 mm breit, elliptisch bis oval-lanzettlich, mit abgestumpfter Spitze, am Blattgrund keilförmig. Blattrand ungeteilt, in der Nähe des Blattgrundes oft mit Wimpern besetzt. Blattober- und Unterseite mehr oder weniger kahl, jedoch deutlich punktiert (beim Betrachten mit der Lupe sind eingesenkte Drüsenhaare oder zumindest eine drüsige Punktierung zu erkennen). Blütenstand bestehend aus 6 bis 12 Blüten, die endständig rundliche bis eiförmige Köpfchen bilden. Kelchblätter unten zu einer Röhre verwachsen, oben geteilt und eine 3-zähnige Oberlippe und 2-zähnige Unterlippe formend, außen mit langen Haaren besetzt und auch innen stark behaart, wobei die Haare nach Blühen eine geschlossene Röhre bilden. Krone purpurrot bis rot, 2-lippig, innere Oberfläche stark behaart, Oberlippe gekerbt, Unterlippe 3-zipfelig. Staubblätter 4, vor den Kronblättern stehend und weit aus der  Krone herausragend.

Geruch und Geschmack: Charakteristisch aromatischer, stark würziger Geruch und stark würziger, aromatischer, etwas bitter Geschmack.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Feldthymian, Thymus-serpyllum-Kraut. Englisch: Wild thyme. Lateinisch: Herba Serpylli.

Herkunft: Aus Wilbeständen der Ukraine und des Balkans.

Inhaltsstoffe: Ätherisches Öl: Gehalt 0,2 bis 0,6%. Die Zusammensetzung des Öls kann erheblich schwanken. Hauptkomponenten der Handelsdroge sind Carvacrol (= Cymol ; Anteil 5 bis 33 %) und Thymol (Anteil 1 bi 4 %). Weitere charakteristische Komponenten des ätherischen Öls sind Borneol (Anteil 0,1 bis 15 %), Bornylacetat (0,4 - 5,2 %), 1,8-Cineol (0,7 - 6,5 %), Citral, Citronellal, Citronellol, Geraniol (2,5 - 9 %), Geranylacetat (1,6 - 4 %), Linalool und Linalylacetat (22 bis 45 %), Nerolidol, Nerylacetat, α-Pinen (0,2 - 0,5%), a-Terpineol und Terpinylacetat. Flavonoide: Glykoside der Flavone Apigenin, Luteolin und Scutellarein. Triterpene: ca. 0,9 % Ursolsäure und 0,5 % Oleanolsäure. Gerbstoffe: Etwa 3 bis 7 % "Labiatengerbstoffe" mit Rosmarinsäure als wichtigster Komponente.

Wirkungen: Antimikrobiell und spasmolytisch. Untersucht wurde ferner die Beeinflussung von Bildung bzw. Ausschüttung von Schilddrüsenhormen und Prolactin. Die dabei erzielten Ergebnisse sind jedoch widersprüchlich und lieferten somit keine nennenswerten Beitrag hinsichtlich einer Begründung der in der Volksheilkunde gebrauchten Anwendung bei Dysmenorrhoe.

Anwendungsgebiete: Katarrhe der oberen Luftwege.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Zu den vielfältigen volkstümlichen Anwendungsgebieten zählen der innerliche Gebrauch bei akuter und chronischer Bronchitis, Keuchhusten, Verdauungsstörungen mit Flatulenz, Leberleiden, Gallenerkrankungen, kolikartigen Schmerzen im Abdominalbereich und bei Dysmenorrhoe sowie die äußerliche Verwendung bei rheumatisch bedingten Schmerzen, Nervenentzündungen, Verstauchungen, Quetschungen, Juckreiz sowie übermüdeten und geschwollenen Gelenken. Ein wissenschaftlicher Nachweis der Wirksamkeit bei einer dieser Indikationen konnte bis heute nicht erbracht werden.

Gegenanzeigen: Bei innerlicher Anwendung keine bekannt. Die äußerliche Anwendung als Vollbad darf bei Vorliegen von größeren Hautverletzungen, akuten Hautkrankheiten, schweren fieberhaften und infektiösen Erkrankungen, Herzinsuffizienz und Hypertonie nur auf ausdrückliche Anweisung eines Arzt erfolgen. (Hinweis: Diese Gegenanzeige gilt für Vollbäder jeglicher Art und steht somit in keinem Zusammenhang zu den Inhaltsstoffen von Quendel.)

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Die empfohlene Tagesdosis für die innerliche Anwendung beträgt 4 bis 6 g Droge. Zur Teebereitung 1,5 bis 2 g Quendelkraut (1 Teelöffel entspricht etwa 1,4 g) mit 150 ml (etwa eine Tasse) heißem Wasser übergießen und nach 5 bis 10 min durch ein Teesieb geben.

Sonstige Verwendung: Infolge des kräftigen aromatischen Geruchs und Geschmacks wird Quendel zuweilen wie Thymian zum Würzen von Speisen verwendet.

Bilder:

Zur Gewinnung der Droge "Serpylli herba" können laut Europäischem Arzneibuch verschiedene Arten der Gattung Thymus herangezogen werden, die in ihrer Gesamtheit als Sammelart Thymus serpyllum L. s. l. (= Quendel im weiten Sinn) bezeichnet werden. Bei diesen handelt es sich um einander sehr ähnliche Arten, die zudem selbst noch ausgesprochen formenreich sind. Wichtigste Vertreter der Sammelart sind in Deutschland T. serpyllum L. im engen Sinn (sensu stricto) mit recht dichten, kopfigen Blütenständen (Abbildungen oben links und Mitte links) sowie T. pulegioides L. mit meist unterbrochenen Blütenständen (Abbildungen oben rechts und Mitte rechts). Im Gegensatz zu diesen zwei Kleinarten ist T. praecox OPIZ (Abbildung unten links) nur in den Alpen sowie selten auch in einigen Mittelgebirgen Deutschlands und der rechts unten abgebildete T. marschallianus WILLD. mit seinen stets sitzenden, am Grund gewimperten Blättern nur sehr sporadisch an extrem trockenen Standorten anzutreffen.

 


Literatur: Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, 3. Nachtrag und 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Jäger EJ, Werner KW, Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Band 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002; Hänsel R, Sticher O, Steinegger E, Pharmakognosie - Phytopharmazie, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1999; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 193 vom 15.10.1987 (Berichtigung Nr. 50 vom 13.03.1990); Senghas K, Seybold S, "Schmeil-Fitschen" - Flora von Deutschland und angrenzender Länder, Quelle & Meyer Verlag, Heidelberg Wiesbaden 1993; Teuscher E, Melzig MF, Lindequist U, Biogene Arzneimittel, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004 (oder 1997 ohne Melzig/Lindequist); USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke